„Du hast noch so viel Zeit!“ – „Das passiert Dir erst, wenn Du alt bist!“ – „Da geht noch viel Zeit ins Land!“ – „Da brauchst Du Dich doch jetzt noch nicht drum kümmern!“
Jaja…und Peng! So schnell konnte ich gar nicht gucken, wie meine Nieren sich verabschiedet haben! Fast zeitgleich mit dem Start meiner Arbeit im Krankenhaus im Januar 2020 kam heraus, dass meine Nierenwerte sich in den letzten beiden Jahren enorm verschlechtert hatten. Paradoxerweise wurde das bei der obligatorischen Einstiegsuntersuchung, die alle Mitarbeiter im Krankenhaus machen müssen, festgestellt. Ein wirklich toller Zeitpunkt! Zwanzig Jahre seit der Zystennieren-Diagnose lang hatten die Nieren schön brav mitgemacht. Keine Probleme, keine Sorgen. Ich wollte durchstarten im Job, ich freute mich auf meine Aufgaben (trotz Covid-Chaos!), ich versuchte, die Zeichen der Verschlechterung zu ignorieren.
Das ging nicht lange gut. Im November 2020 hatte ich eine Entzündung, die sich durch Blut im Urin, Fieber und Schmerzen bemerkbar machte. Die Ergebnisse der Blutuntersuchung waren schockierend: innerhalb von 11 Monaten war die GFR von 24 auf 18 gesunken, wieder zwei Monate später war sie bei 15, jetzt liegt sie bei unter 14.
Ich habe jetzt keine Zeit mehr. Die Dialyse wartet. Und wenn ich ganz schlechte Tage habe, mir stundenlang speiübel ist, der Bauch mit diesen Riesen-Nieren so furchtbar weh tut und ich jede Minute zähle, bis der Tag endlich vorüber ist, dann bin ich sogar froh, dass es Dialyse gibt. Denn sie wird hoffentlich dafür sorgen, dass es mir wieder besser geht. Auch wenn die Zysten weiter wachsen werden.
Trotzdem habe ich Angst. Denn ich habe noch so viel vor! Bei der Arbeit, mit meinem Kind. Ich möchte Sport machen, reisen, Leute treffen, eine neue Beziehung eingehen…Ich bin erst 44! Mit dem Gedanken an die Dialyse kommt die tiefe Trauer darüber, dass das vielleicht alles nicht mehr möglich ist. Zumindest nicht so, wie ich es mir vorstelle. Und mit der Trauer kommen die Angst, die Ungewissheit, die Wut…Denn wie es genau sein wird, werde ich erst wissen, wenn es soweit ist. Es ist – weil heute ein ganz mieser Tag ist – alles zusammen ein richtiges Scheißgefühl.
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