2025-10-20

Montags

Montags zeigt sich jede Sünde, die ich am Wochenende begangen habe. Es fängt meist schon mitten in der Nacht an, wenn ich um zwei Uhr aufwache, ausgedörrt, mit elendem Durst, aber trotzdem wissend, dass ich nicht zum Esstisch laufen und ein Glas Wasser trinken sollte. Dass ich bereits viel zu viel getrunken habe am Wochenende und es dazu noch den Montag Vormittag zu überstehen gilt.

Hätte ich auf die Tasse Tee verzichten sollen, die ich mir bereits am Freitag Nachmittag direkt nach der Dialyse gegönnt habe? Oder war die leckere Soße beim Inder schuld am Kippen meiner Flüssigkeitsbalance, die halt einfach zu einem Curry dazugehört? Der Espresso im Café, wo ich anderthalb Stunden dabei zugesehen habe, wie meine Freundin und ihr Mann große Tee- und Limo-Gläser geleert haben, kann es ja wohl kaum gewesen sein. Ich gebe zu, dass der halbe Liter Ayran nach dem Sonntagsspaziergang vielleicht nicht hätte sein müssen – aber ich hatte solchen Durst! Und der grüne Saft, den ich in dem neuen Supermarkt entdeckt habe…naja…er steht verlockend kalt, frisch und lecker im Kühlschrank – und schon fehlt die Hälfte davon.

Es genügt schon ein Blick in den Spiegel am Montag Morgen, um festzustellen, dass es zu viele Getränke waren. Ein paar Meter laufen und die beschwerliche Atmung sagt dasselbe.

Mein Magen und Darm signalisieren mit Krämpfen und Durchfall, dass wahrscheinlich auch das Kalium mal wieder zu hoch ist und sich mit den verschiedenen Snacks und Mahlzeiten am Wochenende angesammelt hat. Hier eine Handvoll meiner geliebten Erdnüsse, da eine weitere – es gehört wohl dazu, Grenzen auszutesten. Auch wenn man die Folgen davon unweigerlich am Montag Morgen spürt.

Mein Wochenende ist, zumindest samstags, immer recht umtriebig. Ich muss den Haushalt machen, einkaufen gehen, sonstige Besorgungen erledigen. Das macht automatisch hungrig und durstig. Dazu koche ich meistens etwas Leckeres, denn unter der Woche habe ich dazu entweder keine Zeit oder keine Muße. Wochenende heißt Leben und Essen und Trinken sind unabdingbare Bestandteile von Lebensqualität.

Leider macht das alles halt nur halb so viel Spaß, wenn man schon am Samstag im Laufe des Tages genau weiß, dass man sich unmöglich bis Montag Mittag, wenn die nächste Dialyse ansteht, gut fühlen wird. Der Verstand ahnt die schmerzenden Knochen, die Übelkeit, den Durchfall, das Gefühl der Antrieblosigkeit und inneren Kälte. Trotzdem fällt es schwer, bzw. ist nahezu unmöglich, die Einschränkungen beim Essen und Trinken während des Wochenendes konsequent umzusetzen. Das Verbotene hat immer seinen eigenen, besonderen Reiz.

Also sitze ich nun hier, am Montag Morgen, und zähle die Stunden bis zur Dialyse. Ich denke an einige Patienten, die es sich gesundheitlich (noch) erlauben können, nur zweimal pro Woche zu dialysieren. Nein – ich gehe gerne dreimal. Denn die Lebensqualität, die ich dadurch erhalte, zählt weitaus mehr als alles, was mir leckere Getränke und leckeres Essen geben könnten.

Bild von Rainer Nagel auf pixabay.

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