2023-09-07

Status „T“

Was für einen Karrierejunkie die erste Million bedeutet, bedeutet für einen Menschen, der auf ein Spenderorgan wartet, der Wechsel vom Status „NT“ in den Status „T“. Und doch bringt dieser glücksversprechende Moment weitere Unwägbarkeiten mit sich.

Meine Nephrektomie ist nun 12 Wochen her. Das Transplantationszentrum in Stuttgart hatte bereits bei meinem allerersten Besuch in der Nierensprechstunde (das müsste irgendwann 2021 gewesen sein) gesagt, dass eine Transplantation nur dann in Frage käme, wenn ich mir eine Niere entfernen ließe. Seitdem war ich auf der Warteliste der Stiftung Eurotransplant mit dem Status „NT“ – nicht transplantabel – gelistet.

Nach der Operation kamen Gewebeproben der entfernten Zystenniere in ein pathologisches Labor zur Untersuchung. Der Befund ließ einige Wochen auf sich warten. Als er da war, brachte er ein neues, großes Fragezeichen und ein gehöriges Maß an Frustration und Trauer mit sich: Es wurde ein „onkozytärer Tumor“, jedoch ohne Malignität, festgestellt. Ich habe mir das so erklären lassen: Die Zellen ähneln denen von Tumorzellen. Ein Tumor ist medizinisch betrachtet zunächst einmal nur ein gutartiges Geschwulst oder Geschwür. Nicht in jedem Fall werden aus Tumorzellen eigentliche Krebszellen. Voraussetzung für eine Transplantation ist, dass jegliche Art von Krebs ausgeschlossen ist. Denn nach der Transplantation wird das Immunsystem unterdrückt und somit hätte der Krebs – sofern vorhanden – sozusagen freie Bahn, sich im Körper des Organempfängers rasant auszubreiten. Und somit wiederum wäre das wertvolle Spenderorgan samt Leben des Empfängers ziemlich schnell hinüber. Deswegen muss man all die Voruntersuchungen über sich ergehen lassen, wenn man sich im Transplantationszentrum vorstellt.

Bei Zystennieren ist der Befund „onkozytärer Tumor“ anscheinend eher unüblich. Vielleicht hat deshalb die Nachricht des Transplantationszentrums in Stuttgart, wie es denn nun für mich weitergeht, so lange auf sich warten lassen. Die Mediziner mussten vermutlich erst klären, ob ein Risiko für eine eventuelle Entstehung von Krebszellen in der verbliebenen Zystenniere besteht. Doch heute kam der Brief: „Wir werden Frau Rall … bei Eurotransplant in den Status T setzen und hoffen, sie baldmöglichst zur Transplantation einladen zu können.“

Die Operation war also nicht umsonst.

Jetzt heißt es warten, warten und nochmals warten. Meine zwei Jahre Dialyse werden auf die Wartezeit angerechnet. Also muss ich „nur noch“ vielleicht sieben, acht Jahre lang warten.

Außerdem muss ich ab jetzt ständig erreichbar sein. Falls eine passende Niere gefunden wird und der Anruf des Transplantationszentrums kommt.

Wenn ich zum Beispiel im Ausland Urlaub mache, muss ich mich abmelden – und werde für die Dauer der Abwesenheit wieder in den Status „NT gesetzt. Nieren sind knapp und keine wird vergeudet.

Ob und wann eine Nierenspende überhaupt klappt, ist also fraglich. Ob der Körper letztlich mit einer transplantierten Niere klarkommt, weiß man sowieso erst hinterher.

Aber der „Status T“ gibt Hoffnung. Und die ist sehr wichtig.

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