2021-08-05

Im Hamsterrad

Ja, man kann sich mit Dialyse, Arbeit und Kind arrangieren. So viel steht nach einem Monat „Probezeit“ fest. Alles, aber auch wirklich alles, lässt sich irgendwie organisieren. Die Dreifachbelastung hat aber ihren Preis. Der besteht bei mir darin, dass ich von Montag bis Sonntag gefühlt nur am Arbeiten bin: Ich stehe täglich um fünf Uhr auf und gehe um neun ins Bett, das macht dann eine 112 Stunden-Woche. In dieser folgen alle anfallenden Arbeiten und Aufgaben teilweise minutiös aufeinander. Sogar die Ruhepause nach der Dialyse ist exakt eingeplant. Vor allem in Sachen Mama-Kind-Zeit, Zeit-für-mich-allein und Haushalt muss ich dank der zusätzlichen 15 Stunden Dialyse, die irgendwie noch in die Woche mit rein gequetscht werden müssen, gravierend zurückstecken.

Auf das Zusammensein mit meinem Sohn – der Energiequelle für alles, was ich tue – will ich eigentlich nicht verzichten. Ich sehe ihn sowieso nur 50% in der Woche. Doch jetzt sind es nur noch 30%. Das liegt daran, dass ich auf zwei Nächte in der Woche, in denen er bisher bei mir war, verzichten muss. Wegen den Dialysezeiten. Wenn ich morgens um sechs Uhr aus dem Haus muss, dann kann ich ein achtjähriges Kind nicht alleine lassen und erwarten, dass es von alleine zur richtigen Zeit aufsteht, sich wäscht, anzieht und frühstückt.

Ich bin glücklich mit dem Samstag Vormittag als Dialysezeit – ermöglicht mir dies doch, dass ich unter der Woche an drei vollen Tagen arbeiten kann. Doch gleichzeitig bedeutet es, dass jetzt die große Frage ansteht, wer sich zwei Mal im Monat an diesen Vormittagen um mein Kind kümmert. Klar kann ich einen Achtjährigen mal eine Stunde allein lassen – aber den gesamten Vormittag? Das geht nicht!

Nachbarn und Freunde kümmern sich, bieten Hilfe an. Doch dies ist immer nur eine Momentlösung. Meine Eltern stehen als Kinderbetreuung aufgrund ihrer eigenen Krankheiten nicht zur Verfügung. Und dem Papa kann und will ich nicht aufdrücken, dass er das Kind jeden Samstag betreuen muss.

In Sachen Zeit-für-mich-allein sieht es ein wenig einfacher aus. Vielleicht bin ich da auch nicht allzu anspruchsvoll. Wenn ich morgens in aller Frühe und Stille meinen Kaffee trinken oder nach der Arbeit eine halbe Stunde mit der Katze auf dem Sofa abhängen und meinen Gedanken nachgehen kann, ist das gut. Wenn wenigstens ab und zu noch die Möglichkeit zu einem ausgedehnten Spaziergang besteht, auch. Auf irgendwelche Aktivitäten mit Freunden, die mit typischem Small Talk verbunden sind – wie zum Beispiel Kneipenbesuche – habe ich keine Lust mehr. Meist genügen mir Telefonate, ein längerer Chat oder ein kurzer Plausch bei einem Kaffee. Mal ins Kino, mal essen gehen, vielleicht mal ein Konzert – das passt und ist unter Aufbringen letzter Energiereserven auch umsetzbar.

Der Haushalt ist ein Problem. Ich habe keinen Nerv, mich um Einkauf, Putzen, Waschen, Mülleimer leeren, Mülltonne rausstellen, Altpapier und Altglas fortbringen, Auto in Schuss halten und Ähnliches zu kümmern. Ja, ich mache es (bügeln fällt weg, mach ich nur, wenn unbedingt nötig), aber ich will nicht! Ich bin krank, mein Tag ist voll und die Zeit für mich ist mir wichtiger. Deshalb werde ich mich hier nach einer Unterstützung umsehen. Eine klassische Haushaltshilfe, die im Idealfall samstags kommt und gleichzeitig das Kind betreut, wenn es bei mir ist.

Im Moment kann ich noch nicht einschätzen, ob dieses Durchgetaktet-Sein den Vorteil hat, dass man die doch sehr begrenzte Zeit für sich allein, mit dem Kind oder im Kreis von Freunden und Familie eher schätzt oder ob sich das Gefühl breit macht, dass mir von allem irgendetwas fehlt.

Letztendlich werde ich mich daran gewöhnen – gewöhnen müssen.

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