2021-12-26

Der Katzenbiss

Der Kater meiner Eltern hat mir Weihnachten versaut. Er biss mich am vierten Advent in die linke Hand. Warum? Das weiß nur er allein. Schon nachdem er seine langen Reißer wieder zurückgezogen hatte, fühlte ich: „Das ist gar nicht gut!“ Am nächsten Morgen, bei der Dialyse, war die Hand wie ein Ballon angeschwollen und rot. Meine Ärztin verwies mich schnurstracks in die Notaufnahme, von dort aus führte mich mein Weg nach einigen Stunden direkt in den Operationssaal. Weihnachtsüberraschung!

Gipsschiene nach OP

Ja, genau – eine Operation! Ein Katzenbiss ist keinesfalls harmlos. Das wird im Krankenhaus immer als medizinischer Notfall und als dringlich zu behandeln eingestuft. Die langen Eckzähne einer Katze bohren sich tief in das Gewebe, können Sehnen oder Nerven verletzen und rasend schnell alle möglichen üblen Keime im Körper des „Opfers“ verbreiten. Die Aussicht auf womöglich monatelange Komplikationen, die mit Unmengen Antibiotika behandelt werden müssten, war nicht besonders verlockend. Insofern entschied ich mich für die Variante Operation. Einmal die Wunden öffnen (es waren zwei ziemlich tiefe Bissstellen), ordentlich durchspülen, mit einer Kawumm-Dosis Breitband-Antibiotikum alles zerstören, was sich im Umfeld der Wunde befindet, und die Geschichte abhaken.

Dass die Hand nach der OP noch ruhiggestellt werden muss, war mir natürlich nicht klar. Schon mal mit dem rechten Shunt-Arm und dem linken Gips-Arm unbeweglich vier Stunden lang auf der Dialyse-Liege gelegen? Macht keinen Spaß! Autofahren? Nicht drin. Sich selbst waschen und anziehen? Auch nicht. Als Linkshänder plötzlich auf rechts umstellen? Schwierig. Doch irgendwie wurstelt man sich durch.

Was ich jedem raten möchte: Nehmt Entscheidungen von Ärzten nicht immer einfach so hin! Sie beruhen häufig auf einem eingeschränkten Blickwinkel – was verständlich ist. Die Ärzte und Pflegekräfte kennen den einzelnen Patienten in seiner Individualität nicht. Sie richten sich nach ihren erworbenen Kenntnissen aus Theorie und Praxis. Es lohnt sich, ins Gespräch zu kommen und gemeinsam praktikable Lösungen zu finden! Kein Mensch denkt zum Beispiel daran, eine relativ junge Person danach zu fragen, wie es nach dem Krankenhausaufenthalt zu Hause weitergeht. Ob jemand da ist, der Dinge für einen erledigen kann, zum Beispiel. Bei alten Menschen wird so etwas standardmäßig abgefragt. Im medizinischen Lehrbuch mag vielleicht stehen, dass eine Gipsschiene im Anschluss an eine Katzenbiss-Operation für zehn weitere Tage empfehlenswert ist. Im konkreten Alltag bei mir funktioniert das aber nicht. Ich bin allein, muss drei Mal wöchentlich zur Dialyse fahren und versorge noch ein neunjähriges Kind. Mit Sicherheit ist der nun gefundene Kompromiss, nach meiner Entlassung tagsüber die Schiene zu entfernen, aus ärztlicher Sicht genauso empfehlenswert und aus meiner Sicht gut umsetzbar.

Es war tatsächlich Glück, dass der Kater in meine linke Hand gebissen hat. Nicht auszudenken, was es bedeutet hätte, wenn mein rechter Arm, der Shunt-Arm, betroffen gewesen wäre! Doch auch so wird sehr deutlich, was es heißt, Dialyse-Patientin zu sein UND eine zusätzliche Beeinträchtigung zu haben. Wenn am rechten Arm wegen des Shunts kein Zugang für die intravenöse Gabe von Infusionen gelegt werden kann und am linken Arm wegen der Operation auch nicht – ja, dann bleiben dafür nicht mehr allzu viele Stellen am Körper übrig. In meinem Fall entschied man sich für das Legen einer Nadel am Fußrücken. Unbequem, lästig und unsicher, da dort nur sehr dünne Gefäße sind. Aber es hat funktioniert. Als die Nadel draußen war, war ich aber sehr froh.

Sehr unbequemer Platz für eine Nadel

Die Sache ist hoffentlich glimpflich verlaufen. Trotzdem spüre ich diesen Biss in allen Knochen. Ich hatte am Montag Dialyse und abends eine Operation. Zwei weitere Dialyse-Sitzungen am Mittwoch und am Samstag. Ich erhielt zusätzlich zu allen Medikamenten, die ich sowieso schon nehme oder die mir durch die Dialyse zugeführt werden, ein Antibiotikum, das mir am ganzen Körper einen wahnsinnig juckenden Hautausschlag beschert hat. Die Folge: Weitere Medikamente, die das Jucken lindern und die aufgesprungene Haut heilen sollen sowie prophylaktisch eine Menge „guter“ Darmbakterien, die weitere schlimme Auswirkungen des Antibiotikums (Magen-Darm-Probleme) hoffentlich verhindern. Der Tetanus-Schutz wurde durch eine Impfung aufgefrischt (hatte ich nicht erst die dritte Booster-Impfung gegen Corona?). Alle Tätigkeiten, die ich zuhause ausführe, sind mit der noch frischen Wunde an der Hand doppelt so anstrengend.

Es ist Weihnachten. Heiligabend konnte ich mit meinem Sohn, meiner Schwester und meinen Eltern verbringen. Dafür, und für zwei ruhige, entspannende Weihnachtsfeiertage zuhause, bin ich dankbar. Die Einschränkungen durch die noch heilende Hand sind erträglich. Ich schlafe viel, tue wenig und denke nach – über Katzen, meinen Körper, das Leben. Denn Weihnachten ist ja das Fest der Besinnung.

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