Vieles hat sich verändert in den letzten Monaten. Dinge, die ich sonst ohne lange zu überlegen getan habe, verursachen mir jetzt unendliches Kopfzerbrechen. Dazu gehört unbedingt der Urlaub. Vor der Dialyse (und vor Covid, nicht zu vergessen!) war Urlaub ganz einfach: An einen schönen Ort gedacht, im Internet Flug und Hotel gesucht, kurz nachgedacht, ob ich das Kind mitnehmen soll oder nicht – gebucht. So war ich 2018 drei Mal auf Korfu an meinem Seelenort und 2019 auch noch einmal. Außerdem noch im Wellness-Hotel oder Familien-Ressort mit Kind.
Jetzt bedeutet Urlaub zuallererst einmal Überwindung.
Kann ich, darf ich, soll ich in den Urlaub? Und wenn ja, wäre es nicht vernünftig, in Corona-Zeiten und als „neuer“ Dialysepatient erst einmal in der Nähe zu bleiben, im eigenen Land, sozusagen vor der Haustür? Und wie lange darf ich überhaupt weg? Wenn meine Abwesenheit doch bedeutet, dass die blinde alte Katze mutterseelenallein gelassen wird, die kranken Eltern jederzeit Hilfe benötigen könnten und auch mir jederzeit etwas passieren kann (siehe Katzenbiss vom Dezember!). Wird die Reise zu anstrengend und welche Risiken warten auf mich in fernen Landen und unbekanntem Terrain? Nicht zuletzt: Was mache ich mit meinem Sohn? Nehme ich ihn mit, benötige ich entweder eine Reisebegleitung (das bedeutet neue Probleme, denn es muss eine gemeinsam als OK empfundene Destination zu einem für beide Seiten passenden Termin und Budget gefunden werden) oder eine 1-A-Kinderbetreuung (was das kostet…spricht die dann Deutsch?) Denn einen 9-Jährigen kann ich auf keinen Fall drei Mal die Woche während meiner Dialysezeiten stundenlang alleine lassen! Was zum letzten und nun wichtigsten Punkt aller Urlaubsüberlegungen führt: Wo gibt es überhaupt Ferien-Dialysestationen?
Ich bin seit jeher ein Individualtourist. Ich habe – soweit ich mich erinnere – noch nie eine Pauschalreise gebucht. Und ich werde es auch jetzt nicht tun.
Zum Glück gibt es das Internet! Mit viel Zeit und Muße ist es möglich, sich als Dialysetourist einen maßgeschneiderten Urlaub zusammenzusuchen.
Die eigenen Unsicherheiten in Bezug auf Reisen oder sonstige Aktivitäten abzulegen, das nimmt einem das Internet jedoch nicht ab. Ich erlebe nun mal gerade täglich, dass bei der Dialyse nicht immer alles glatt läuft (zum Glück funktioniert bei mir alles sehr gut, der Shunt schwirrt kräftig vor sich hin und meine Blutwerte haben meiner Ärztin ein „sehr gut“ entlockt). Die unsichere Lage aufgrund Corona macht es auch nicht wirklich entspannter, einem Urlaub entgegenzublicken.
Zu meiner größten Freude habe ich eine Freundin, die mit ihrer Tochter, meinem Sohn und mir an Pfingsten für eine Woche nach Korfu fliegen wird. Nach drei Jahren werde ich meinen Seelenort wiedersehen! So ganz kann ich es noch nicht glauben, es schien mir vor kurzem noch völlig unmöglich, jemals wieder dorthin zu kommen.
Solche Lichtblicke tun gut, sie sind genau das, was aus dem schon monatelangen deutschen Dauer-Grau und dem Corona-Tief heraushelfen. Noch ist nichts gebucht, doch die Zeichen stehen gut!
Erst recht, weil ich Urlaub selten so nötig hatte wie jetzt.