Hauptsache, der Shunt schwirrt! Hinter dieser Aussage steckt – wenn man sie einmal in ihrer gesamten Bedeutung verinnerlicht hat – nichts als gnadenloser Fatalismus.
Der Shunt ist die Lebensader jedes Dialysepatienten. Funktioniert er nicht, kann nicht dialysiert werden. Als einzige Ausweichmöglichkeit bleibt dann noch die Dialyse über einen Katheter – was mit vielen Komplikationen verbunden und deshalb auch nur kurzzeitig möglich ist.
Ich war mal wieder im Urlaub. Mal wieder Griechenland. Korfu. Mein Seelenort, die Aroggia Farm. Wie groß war die Sehnsucht, nach drei Jahren wieder dorthin zu reisen! Und wie schön war es, dort wieder anzukommen und fast alles unverändert vorzufinden! Die Ruhe, die Natur, die Wärme – herrlich!
Doch das große Urlaubsglück erhielt gleich zu Beginn einen großen Dämpfer: Am zweiten Morgen fiel ich – von üblen Krämpfen geschüttelt – aus dem Bett. Ich fiel in Ohnmacht – vor Schmerzen. Und ich fiel hart – auf die Bettkante, zwischen Bett und Wand. Ich habe mich ziemlich verletzt dabei: am Arm, an den Zähnen und auch die Nieren selbst haben was abbekommen. Blut im Urin ließ auf eine geplatzte Nierenzyste schließen. So schmerzhaft das war (die Krämpfe und die Folgen des Sturzes): Hauptsache, der Shunt schwirrt!

An einem gestauchten Arm stirbt man nicht. Hätte ich mir die Zähne ausgeschlagen, hätte eben die Kieferchirurgie einspringen müssen. Und gegen Hämaturie (Blut im Urin) verschrieb der Nephrologe in der Nephroxenia Dialyseklinik nach einer Blutanalyse ein Antibiotikum.
Hauptsache, der Shunt schwirrt! Es hat bei dem Sturz meinen linken Arm erwischt. Das war einfach nur Glück. Der rechte Arm muss – egal, was kommt – heil bleiben. Er muss jeden zweiten Tag den Zugang zu meinen Gefäßen bilden. Damit ich nicht sterbe.
Ein Sturz war von Beginn der Dialyse an meine große Angst. Stürze sind unvorhersehbar, genauso wie ihre Folgen. Auf Mykonos, im April, lief ich auf den groben Pflastersteinen und Stufen der Altstadt so vorsichtig wie möglich, um ein Stolpern oder Ausrutschen zu vermeiden. In engen Räumen fürchte ich, mich anzustoßen. Die Aroggia Farm kenne ich inzwischen gut. Bei fast jedem Besuch dort habe ich Blessuren davongetragen. Es ist ein rauher Ort mit vielen Ecken und Kanten. Dass ich ausgerechnet im „sicheren“ Ferienhaus so schwer stürzen würde, hätte ich nie für möglich gehalten. Und doch ist es passiert. Unvorhersehbar eben.
Aber Hauptsache, der Shunt schwirrt. Und das tut er. In meinem Fall sogar sehr gut. Vom Handgelenk (die erste Shunt-OP war zwar zunächst nicht erfolgreich, doch inzwischen schwirrt es auch dort) über die Ellbeuge bis hoch zum Schlüsselbein. Das Schwirren macht ehrfürchtig. Gleichzeitig beruhigt es. Denn es ist ein Zeichen dafür, dass „alles im Fluss“ ist.
Ich bin glimpflich davongekommen. Der Arm hat einige Tage geschmerzt und übel ausgesehen. Die Zähne sind nur gestaucht gewesen, keine aufwändige Reparatur ist erforderlich. Und die Nierenzyste hat sich ausgeblutet. Kam ja auch nicht zum ersten Mal vor, dass eine von den hunderten geplatzt ist.
Die Angst vor weiteren Verletzungen bleibt natürlich. Denn so vorsichtig ich auch bin, ein gewisses Restrisiko ist eben immer vorhanden.
…und dann kommt die Frau aus dem Urlaub zurück, steht vor einem, mit einem glücklichen Lächeln als wäre nichts passiert!
Bewundernswert!!!!