2022-11-13

10 Jahre

Selten hat mich ein Geburtstag so bewegt wie heute der zehnte meines Sohnes. So unendlich viele Erinnerungen und Gefühle, Gedanken und auch Sorgen sind da hochgekommen, seit er in der Früh aus dem Bett kam, noch total verschlafen, aber furchtbar aufgeregt.

Er wechselt nun von der Kindheit in die Jugend. Erste Anzeichen von Rebellion sind allgegenwärtig. Ich schaue ihn an, wie er in seinem Dino-Schlafanzug neben der Katze auf dem Sofa sitzt und gleichzeitig von Superhelden, Monstern, Robotern oder sonstigen seltsamen Wesen aus Computer-Spielen oder von gerade angesagten und ungemein beeinflussenden „Youtubern“ redet. Vorzugsweise in einem, vom Internet geprägten Mischmasch aus Deutsch und Englisch, das mir imaginäre Fragezeichen entlockt. Ich denke an seine Fröhlichkeit, seine Neugier, seine Energie und seine Unbekümmertheit. Dabei wird mir ein wenig schwer ums Herz, denn die eigene Erfahrung zeigt ja, dass all das im Laufe der Zeit schwer nachlässt oder sogar völlig verloren geht.

Wir haben zu zweit den Sonntag Morgen verbracht (mit Verstärkung seines besten Freundes am späteren Vormittag). Meine Geschenke waren nicht zum Auspacken – ich weiß, dass ihn das etwas enttäuscht hat. Denn was gibt es schließlich Schöneres für Kinder, als Geschenke auszupacken? Trotzdem habe ich das Leuchten in seinen Augen bemerkt, als er das gerahmte Bild des – in meinen Augen gruseligen – „Master Chief“ gesehen hat. Es soll ihn immer dazu motivieren, selbst ein „Master Chief“ zu werden – egal, was für einer. Er geht zum Taekwondo, um Hiebe und Tritte wie ein Master Chief zu trainieren und will einen bestimmten Gürtel erreichen (bis zum schwarzen Gürtel will er aber nicht trainieren). Den Ehrgeiz dazu hat er mit Sicherheit nicht von mir geerbt. Wir haben viel geredet, über seine Pläne und Ziele, über das, was im kommenden Jahr passieren wird (z.B. der Wechsel auf die weiterführende Schule) und was er allein, mit seinem Papa, mir oder seinen Eltern zusammen – als wir noch zusammen waren – erlebt hat. Es ist eine Menge für ein Kind in seinem Alter.

Da waren Urlaube dabei, Flugreisen oder endlose Fahrten mit dem Auto zum Zielort. Besuche von Freizeitparks und Kindergeburtstage, bei denen es immer hoch her ging. Lustige Momente mit Oma oder Opa, Freunden oder in der Schule.

Doch neben all dem Schönen und Fröhlichen gab es in den letzten Jahren – vor allem in den letzten fünf Jahren – auch viele schwere Momente. Die Trennung seiner Eltern und meine Erkrankung brachten und bringen immer noch viele Veränderungen und Einschränkungen. Sie reißen ein Loch in die heile Welt eines Kindes. Ich glaube, dass meinem Sohn sehr bewusst ist, dass seine Situation eine besondere ist. Als er fünf war, habe ich angefangen, über die weniger strahlenden Momente im Leben mit ihm zu reden. Das tue ich heute noch. Das entstandene Loch kann ich nicht gänzlich flicken, aber ich kann ihn darauf aufmerksam machen, damit er nicht in dieses Loch hineinfällt.

An seinem Geburtstag heute war all das Nebensache. Es ist sein Tag. Er feiert ihn im Kleinen und Stillen mit mir – und mit viel Tamtam, Geburtstags-Deko und Geschenken zum Auspacken am Nachmittag bei seinem Papa und mit seinen drei besten Freunden in der Trampolinhalle.

Jeder Tag mit meinem Sohn ist für mich etwas Besonderes. Er gibt mir so viel, auch wenn er zugleich vieles von mir fordert. Jeder Geburtstag, den wir zusammen feiern können, ist wertvoll. Egal, ob mit großer Party oder nebeneinander auf dem Sofa ins Gespräch vertieft.

Ich wünsche meinem Sohn, dass sein Leben immer bunt ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert