Kalter Februar. Das erste Licht gegen sieben, dafür ist es um sieben abends schon stockdunkel. Nebel. Grau. Ein spartanisch eingerichtetes Zimmer. Laute Geräusche lärmender Kinder von draußen, fast den ganzen Tag lang. Und wir drinnen. Isoliert, krank.
Es gibt Tage in meinem Leben, da drängt sich geradezu die Frage auf: „Warum?“
Warum muss mein Kind, das in zwölf Jahren nie länger als einen Tag lang Fieber hatte, ausgerechnet während unserer Kur – am Anfang unserer Kur – Grippe bekommen und diese sieben Tage lang ausschwitzen? „Ist doch logisch!“, möchte die innere Stimme antworten. „50 Kinder in einem Haus, im Februar. Da sind Infekte vorprogrammiert.“ Doch die selbstmitleidige Stimme sagt: „In deinem Leben gibt es kein Licht, nur Schatten. Finde dich damit ab.“
Warum musste ich zu dem Zeitpunkt, als es Linus langsam wieder besser ging (wir waren tatsächlich eine Woche lang in unserer Mini-Gefängniszelle isoliert) auch noch krank werden, sodass für den Rest der Kur an keine Teilnahme an einer Veranstaltung zu denken war? Die innere Stimme ruft: „Ihr zwei wart eine Woche lang zusammen eingesperrt, klar, dass du dich ansteckst!“ Und die selbstmitleidige Stimme antwortet: „Gib’s zu, du hast doch eh schon damit gerechnet, dass der elende Schatten des grippalen Infekts auch dich streift und dir das Leben verdüstert!“
Warum müssen Mama und Kind von drei Wochen Mama-und-Kind-Kur zwei Wochen lang krank sein? Wo doch die ganze Vorbereitung auf diese drei Wochen bereits Monate gedauert und viel Nerven (und Anträge) gekostet hat. „Das kommt einfach vor“, beschwichtigt die innere Stimme. „Begreif‘ es doch endlich! Dein Leben ist grau, leidvoll und beschwerlich!“ höhnt die selbstmitleidige Stimme dagegen.
Solche Warum-Tage kosten verdammt viel Energie. Sie fühlen sich dunkelgrau an, nebeldüster und depressiv. Denn auf die vielen Warum-s gibt es keine Antworten. Es gab sehr viele Warum-Tage in den letzten Jahren, zwanzig davon gehäuft während unserer Kur. Besonders diese letzten, im Beisein meines kranken Kindes und selbst krank, haben mir sehr viel abverlangt.
Und wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.
Mein Lichtschimmer in diesen dämmrig-einlullenden Warum-Tagen in Bad Windsheim waren Menschen, die in Form von Nachrichten oder Anrufen an mich und Linus gedacht haben. Die mitgefühlt haben, vielleicht sogar mitgelitten. Ein kurzes „Ping“ auf dem Handy, das eine neue Nachricht ankündigt, kann ein 15 Quadratmeter-Zimmer mit einem Gestell, das mehr Pritsche als Bett darstellt, urplötzlich erleuchten und die trostlose Einrichtung wie minimalistischen Designer-Trend aussehen lassen. Eine Tasse Aldi Instant-Plörre mit Kaffeesahne am noch dunklen und einigermaßen ruhigen Morgen schmeckt wie ein Cappuccino bei 25 Grad in einem Café in Italien, wenn der erste Gruß des Tages ein freundliches „Guten Morgen!“ ist, begleitet von einem Kaffeetassen- und Küsschen-Emoji.
Eine Kur bedeutet eigentlich Erholung und Entspannung. Linus und ich sind nicht erholt und entspannt zurück gekommen. Dafür entschleunigt. Notgedrungen. Und um die Erkenntnis reicher, dass in jedem Schatten ein Lichtlein schlummert.
Ich muss die Namen dieser Menschen hier nicht nennen. Sie wissen, dass sie gemeint sind. Ihr seid mir eine große Hilfe gewesen und habt mit dafür gesorgt, dass es wenigstens ein klein wenig Licht gab in diesen drei Kur-Wochen. Dankeschön dafür!
Auch wenn kein Licht mehr sichtbar ist,
es bleibt immer ein Funke übrig,
der ausreicht für ein neues Licht,
du kannst es entfachen, verliere nicht den Mut!