Die Nephrektomie im Januar – abgesagt. Nach Stuttgart gefahren, stundenlang in Warteräumen ausgeharrt, Menschen kommen und gehen gesehen, mit Ärzten und Pflegekräften gesprochen. Zuhause dann die Entscheidung: Ich lasse mir meine Niere nicht entfernen – noch nicht.
Der schwere Harnwegsinfekt im Oktober letzten Jahres hat mich verunsichert und sehr beunruhigt. Kurz danach kam eine Zystenruptur mit einwöchiger Blutung. Meine betreuenden Ärzte legten mir nahe, die Nieren-Entfernung baldmöglichst durchführen zu lassen, um weiteren Komplikationen vorzubeugen. Ich habe mir viele Gedanken gemacht und viele Gespräche mit Medizinern geführt. Doch das Bauchgefühl trügt selten.
Irgendwann wird nicht nur eine, sondern werden beide Nieren raus müssen. Doch jetzt noch nicht. Infekte werden so sicher kommen wie das Amen in der Kirche. In der linken Niere, oder in der rechten? Das kann kein Mensch vorhersagen. Selbst mit einer Nephrektomie besteht das Risiko, dass sie in der verbleibenden Niere auftreten. Doch sie können in der Regel mit Antibiotika behandelt werden. Beide Nieren sind hinüber, was die Entgiftungsleistung angeht. Doch beide produzieren noch Urin, sogar recht viel (über zwei Liter pro Tag). Schlussfolgerung: Mit einer Niere weniger gäbe es wahrscheinlich nur noch die Hälfte der bisherigen Urinmenge. Sprich: Ich dürfte dementsprechend auch nur noch die Hälfte dessen trinken, was ich momentan noch darf.
Die Nephrektomie würde zwar bedeuten, dass das Transplantationszentrum ab dem Zeitpunkt der Entnahme aktiv nach einer Spenderniere für mich zu suchen beginnt, doch da die Zeit ab der ersten Dialyse rückwirkend auf die Wartezeit angerechnet wird, verliere ich rein gar nichts, wenn ich mit dieser schwerwiegenden Operation noch warte. Bei einer durchschnittlichen Wartezeit von aktuell zehn Jahren ist es mehr als unrealistisch, dass sich in den nächsten drei, vier Jahren überhaupt irgendetwas in Sachen Spenderniere tut.
Ich habe die OP abgesagt – und muss noch nicht mit einer Flüssigkeitsbeschränkung oder Gewichtseinstellung bei der Dialyse leben.
Mein Bauch sagt, es ist gut so. Alles richtig gemacht.
Die Nephrektomie im Januar – abgesagt. Das hat mental sehr viel ausgelöst. Seitdem bin ich zuhause gewesen. Ausgelaugt, energielos, müde, erschöpft. Keine Arbeit, kaum Haushalt, noch weniger soziale Kontakte. Drei Jahre Nierenversagen, Corona-Horror im Krankenhaus und private Umwälzungen durch Scheidung und Umzug haben meinen Energiespeicher komplett geleert. Die Wochen der Ruhe, des Schlafes, der Konzentration auf mich, auf eigentlich ganz wenig haben mir trotz stabilem Gesundheitszustand klargemacht, wie groß die Belastungen durch meine Krankheit sind und wie schnell es gehen kann, dass die persönlichen Limits weit überschritten sind. Dann hilft kein Wellnesstag in der Sauna oder beim Shoppen mehr, um einen Ausgleich zu schaffen. Dann braucht es einen kompletten wochenlangen Rückzug. Von fast allem.
Ich bin noch nicht bereit, den Zustand des „Wirklich-krank-Seins“ zu akzeptieren. Ich werde einer Operation erst dann zustimmen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Denn diese Operation wird mich schnurstracks von meiner momentan stabilen gesundheitlichen Situation mit relativ hoher Lebensqualität in den „Wirklich-krank-Sein-Modus“ katapultieren. Die Einsicht, dass das so sein wird, ist da. Die Akzeptanz aber eben noch nicht. Denn ich möchte so lange wie möglich noch so viel Lebensqualität wie möglich behalten.
Liebe Frau Wenta,
ich denke oft an Sie und wünsche Ihnen alles Gute. Ihre Entscheidung kann ich zu 100% nachvollziehen.
Viele Grüße
Thomas Bitzer-Prill
Lieber Herr Bitzer-Prill,
vielen Dank für Ihre Wünsche und dafür, dass Sie meinem Blog folgen!
Viele Grüße von Stefanie Wenta