2023-03-28

Schleichende Veränderungen

Es ist noch nicht allzu lange her, da war ich mir sicher, fürs Erste keinerlei weitere Veränderungen eingehen zu wollen, die mit meiner Krankheit zusammen hängen. Nichts sollte mich weiter einschränken, nichts meine Lebensqualität weiter verringern, nichts anders sein als es bislang gewesen war.

Doch jetzt stelle ich fest, dass sich doch einiges verändert hat. Dass ich einiges verändert habe. Und das sogar in relativ kurzer Zeit. Nicht weil ich es so gewollt hätte. Sondern einfach, weil es keine Alternative gibt und weil meine Krankheit weiter fortschreitet.

Seit ich Kaffee trinke, trinke ich morgens zwei Becher davon. Mit Milch, ohne Zucker. Zu Beginn der Dialyse habe ich an den Dialysetagen auf einen Becher verzichtet. Über vier Stunden lang nicht auf Toilette gehen zu können, um eine eventuelle zweite Tasse (und dazu eine dritte, die ich zum Frühstück bei der Dialyse bekomme) wegzutragen, war meinem Organismus einfach nicht möglich. Jetzt verzichte ich täglich auf diesen zweiten Kaffee, denn mittlerweile muss mein Gewicht eingestellt werden, weil die Ausscheidung nachgelassen und sich Wasser in meinem Körper eingelagert hat. Auf Toilette muss ich nicht mehr – warum auch, wenn zwischen einem und eineinhalb Litern Wasser rausgezogen werden.

Ich esse kaum noch Kartoffeln, frisches Gemüse oder Obst. All das enthält viel Kalium, das wegen der verringerten Ausscheidung im Körper verbleiben und dadurch meine Herzgesundheit verschlechtern würde. Statt Saftschorle trinke ich inzwischen eher Limo. Denn Saft enthält auch viel Kalium.

Meine großen Trinkgläser habe ich schon vor einiger Zeit gegen 0,1 ml-Kindergläser mit buntem Freizeitpark-Motiv ausgetauscht. Denn ein Trick, um weniger zu trinken ist, auf kleinere Gläser umzustellen. Man trinkt meistens ein Glas komplett aus. Wechselt man vom 0,2 ml-Glas auf das 0,1 ml-Glas, hat man über den Tag verteilt die Hälfte der bisherigen Trinkmenge gespart. Sofern man sich nicht selbst austrickst und das Mini-Gläschen ständig nachfüllt.

Auch Yoghurt oder Milch steht nur noch selten auf meinem Speiseplan. Und wenn, dann nur in Verbindung mit einer vorherigen Phosphat-Tablette. Auf diversen Webseiten kann man nachlesen, wie sich eine Niereninsuffizienz auf den Phosphat-Calcium-Stoffwechsel auswirkt und dass erhöhte Phosphatwerte bei Dialysepatienten schwerwiegende gesundheitliche Konsequenzen bis hin zu einer erhöhten Sterblichkeit haben können.

Dialysecentrum.de schreibt:

Ab Phosphatwerten über 1,6 – 1,8 mmol/L (Normbereich bis 1,45 mmol/L) besteht ein eindeutiger linearer Zusammenhang hinsichtlich der Mortalität und Morbidität von Dialysepatienten.

https://www.dialysecentrum.de/wp-content/uploads/Phosphat-bei-Niereninsuffizienz1.pdf

Mein Phosphatwert lag zuletzt bei über 2 mmol/L. Trotz Phosphat-Tabletten und konsequenter Reduktion von Milchprodukten (Fleisch esse ich eh wenig).

Alkohol spielt schon ewig kaum eine Rolle in meinem Leben. Ich brauche abends kein Feierabendbier, genauso wenig wie ein Viertele in Gesellschaft oder einen Verdauungsschnaps nach einem üppigen Mahl. Ab und an, bei ganz seltenen Gelegenheiten, gönne ich mir ein Gläschen Sekt, ein Glas Campari Orange oder ein Radler (zählt das überhaupt als Alkohol?).

Es ist verdammt schwer, solche lebenslangen Gewohnheiten zu ändern. Mit dem Genuss bestimmter Speisen oder Getränke hängen Erinnerungen zusammen, Erlebnisse, sogar Gefühle – meistens positive. Auf etwas zu verzichten, das an und für sich gut ist, der Gesundheit förderlich (Vitamine, Frisches), das will das Gehirn nicht akzeptieren. Nur weil ich Dialysepatientin bin, soll ich im Sommer keine Aprikosen, Pfirsiche oder mediterrane Küche mit viel Gemüse (vor allem Tomaten) essen? Im Winter soll es nach einem kalten Tag keine heiße Honigmilch mehr geben? Sogar ein Eis oder Schokolade sind nun potenzielle Gesundheitsgefährder?

Ich habe so gehofft, dass mir der Verzicht auf all diese vielen leckeren Dinge noch eine Weile erspart bleibt. Dass meine Nieren zwar hinsichtlich der Entgiftung nichts mehr reißen, war klar. Doch dass sie nun auch keine Lust mehr haben, Urin zu produzieren, der unerwünschte Substanzen aus meinem Körper spülen und mir weiter erlauben könnte, zu essen und zu trinken, wie ich will – das finde ich super deprimierend. Und sehr anstrengend.

Von der Freude über meine eine Tasse Kaffee am Morgen oder meine eine Tasse Tee am Sonntag Nachmittag oder meine halbe Banane, die ich mir einmal im Monat gönne und die mir dann alle irgendwie doch noch erlaubt sein werden, bin ich jedenfalls noch ewig weit entfernt.

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