„Wenn ich loslasse, was ich bin, werde ich, was ich sein könnte. Wenn ich loslasse, was ich habe, bekomme ich, was ich brauche.“ – Laotse
Haben Familie, Bekannte und Freunde ein Anrecht auf mein Leben? Können und dürfen sie sagen: „Du musst zur Dialyse gehen!“? Habe ich eine so große Verantwortung ihnen gegenüber, dass ich mein Leben an eine Maschine binden muss, um weiterhin für sie da zu sein?
Wer mich kennt weiß, dass ich mich seit vielen Jahren mit Buddhismus beschäftige. Nicht im wirklich religiösen Sinn. Ich studiere weder täglich irgendwelche heiligen Schriften, noch meditiere ich wie besessen. Mein Karma mag also noch durchaus verbesserungswürdig sein. Mit dem Gedanken an ein ewiges bzw. fast ewiges Leben habe ich mich aber schon vor langer Zeit angefreundet. Ich bin glücklich über mein jetziges Leben und ich glaube daran, dass ich noch viele vor mir habe – in welcher Form auch immer. Insofern schreckt mich der Gedanke ans Sterben nicht. Vor Qualen und Schmerzen habe ich Angst – wie vermutlich jeder. Doch zu gehen…das erscheint mir nicht schlimm.
Zwangsläufig kommt mit einer schweren Erkrankung der Gedanke ans Sterben auf. Komischerweise ist die allgemeine Akzeptanz, sich für das Sterben zu entscheiden, aber fast nicht vorhanden. Die gesamte Umgebung eines kranken Menschen – Familie, Bekannte, Freunde, Arbeitgeber, Ärzte… – zielt in den allermeisten Fällen darauf ab, das Leben zu erhalten – egal, mit welchen Mitteln und um welchen Preis (lesen irgendwelche Ärzte mit? Korrigiert mich bitte, wenn ich mit dieser Aussage falsch liege!)
Diskussionen über Sterbehilfe versanden und führen nirgendwo hin.
Ich übernehme jeden Tag Verantwortung für das, was ich tue. Allen Lebewesen gegenüber, die mich umgeben. Ich empfinde es nicht als Widerspruch zu meinem Verantwortungsgefühl, zu entscheiden, dass ich lieber den Weg des Sterbens wählen würde, als womöglich jahrelang durch Dialyse am Leben erhalten zu werden. Wenn ich solche Gedanken äußere, höre ich: „Aber dein Kind, was wird aus dem?“ So tragisch und grausam es klingen mag: Es wäre versorgt. Es würde weiter geliebt werden. Und sollte ich morgen von einem Auto überfahren werden oder mich ein durchgeknallter Killer um die Ecke bringen, würde sich die Frage nicht stellen. Alle müssten dann so oder so mit der Situation klarkommen. Doch als Kranke höre ich solche Fragen, muss mich damit auseinandersetzen und zu einer finalen Entscheidung kommen.
Meine große Hoffnung ist eine Spenderniere. Die würde mir diese wahnsinnig schwere Entscheidung für oder gegen das Sterben abnehmen. Denke ich…aber wer weiß schon, wie wirklich alles sein wird…